Teil 2 der Geschichte des Denkmals zur Völkerschlacht bei Leipzig 1813

Am 12.10.1913, dem Vorabend des Tages, an dem der Beginn des Mordens in Leipzig einhundert Jahre her war, wurde der Gedenkstein enthüllt. 

 

Durch die im Aufruf am 2. August angesprochene Sammlung ergab sich der Betrag von 486 Mark, schreibt die Zeitung im Bericht zur Enthüllung in der Ausgabe vom 16. Oktober. Der Betrag war ausreichen zur Beschaffung eines großen Felsblocks. Es sollte ein mächtiger Fels sein, da er erinnern soll, dass die Befreiung von Napoleon den „gewaltigen Fels“ gründete, „der heute stolz, stattlich und unerschütterlich mitten im Weltgetriebe der Völker als Deutsches Reich dasteht“, so der Text vom 16.10 weiter. 

 

Für uns heute ein erschreckender Gedanke, die wir heute wissen, dass es von da an noch knapp 10 Monate bis zum Beginn der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, bis zum Beginn der Ersten Weltkriegs war.

 

Die Einweihungsfeier, die ein Fest für jeden, der „noch ein Fünkchen patriotisches Gefühl in seinem Herzen und Gemüte bewahrt hat“ begann um 15:00 Uhr am Marktplatz.

 

Von dort über die Segringer Straße, durchs Segringer Tor und dann in den Stadtpark formierte sich ein beeindruckender Festzug. Dem Bericht der Zeitung nach setzte er sich wie folgt zusammen:

 

An der Spitze die Knabenkapelle. Danach „unter Führung ihrer Lehrer sämtliche Volksschulklassen, die Mädchen in weißen Kleidern mit den gefüllten Blumenkörben, die Knaben mit den Fahnen.“

 

Der Zug setzte sich mit allen Fortbildungsschülern fort, gefolgt von den Schülern und Lehrern jeweils des Progymnasiums und der Realschule.

 

Den Schulen folgte die Stadtmusik. Danach beschlossen den Zug „fast sämtliche“ Vereine mit ihren Fahnen.

 

In den Akten des Magistrats von Dinkelsbühl (….) findet sich eine genau Planskizze, vo sich, dem Entwurf des Stadtbauamts nach, die Teilnehmer aufstellen sollten.

 

 

Die Festansprache hielt, trotz des strömenden Regens, der den ganzen Tag über anhielt, der 1. Vorstand des Gemeindekollegiums, der Kaufmann Reulein.  Er sprach zuerst die Sammlung an, die den Betrag von 486 Mark ergab. Dann übergab er das Denkmal offiziell an die Stadt.

 

Nach ihm sprach Bürgermeister Götz. Tenor seiner Rede war der Schlusssatz: „Gedenken wir der Toten von 1813! Den Helden von 1813 ein dreifaches Hurra!“

 

Danach wurde eine Strophe des Deutschlandliedes von H. v. Fallersleben gesungen, bevor der Umzug durch das Rothenburger Tor zurück zur Schranne ging. Im Schrannensaal wurden dann die weiteren Reden, die wegen des Regens nicht vor Ort gehalten wurden, vorgetragen.

 

Reden in der Schranne am Tag der Enthüllung

 

Die Ansprachen dieses Tages sind uns durch eine Beilage des Wörnitz-Boten vom 16.10. 1913 erhalten.

 

Zuerst sprach Bürgermeister Götz. In seiner Rede findet das liberale Moment, das in der Zeit um 1813 sehr deutlich auch in der Luft lag, großen Niederschlag. Er sagt: „Bis ans Ende des 18. Jahrhunderts hatte das Volk, die Masse des Bürgertums, an der Regierung so gut wie keinen Anteil genommen. …. Unfrei war die Masse in ihren Rechten, unfrei in ihren Gesinnungen.“ Der übersteigerte Nationalismus des Bürgertums, so wie er zum Beispiel von Heinrich Mann in seinem berühmten Roman „Der Untertan“ gezeugt wird, hatte, wie hier zu sehen ist, durchaus eine liberale Wurzel auch. Götz fährt fort: „Mannigfach waren die Charaktere und Bestrebungen aller dieser Männer (er meint die Freiheitsbewegung gegen Napoleon wie auch die Verfassungsbewegung um 1848), aber in einem waren sie einig: hinaus aus der Unfreiheit, weg mit den Schranken der deutschen Kleinstaaterei, und fort mit dem Druck, der durch die herrschende Klasse des Adels auf Bürgern und Bauern lastete“. 

 

Auch der Redner nach ihm, Bezirksamtsassessor Heller, sprach diese Seite der „Bewegung“ an. 

 

Er nennt die „liberalen Bestrebungen“, die von Preußen und dem „abgeschlossenen Polizeistaat Metternichs“ enttäuscht waren. Zu der gescheiterten Revolution des Bürgertums von 1848 sagt er: „Welche Hoffnung erweckte bei allen wahren Vaterlandsfreunden die Eröffnung der ‚Verfassung gebenden Versammlung‘.“ Auch spricht er den „schmählich hingerichtete(n) Robert Blum an“, eines der leider fast schon ganz vergessenen Opfer der Revolution, der am 9. November 1848 in Wien hingerichtet wurde.

 

Nach den Reden wurde das Theaterstück „Deutsche Treue“ von Körner aufgeführt.

 

Der Autor starb, nach einer steilen Karriere als Dramatiker in Wien, im Alter von 22 1813. Er galt vielen Zeitgenossen als Inbegriff eines patriotischen Dichters.

 

Das Trauerspiel „Joseph Heyderich oder deutsche Treue“ war 1813 erschienen.

 

In diesem Stück opfert sich ein älterer Soldat für das Leben seines Vorgesetzten, sein Leben hat für ihn, in Körners Stück, keinerlei individuellen Wert.

 

Der Turnverein Dinkelsbühls zeigte danach einige „lebende Bilder“, damals „Marmorgruppen“ genannt. Szenen aus der Antike, der Zeit zwischen 1810 und 1813 und als Schlussbild die „Deutsche(n) Turner der Gegenwart als Jahns Vermächtnis“ wurden auf der Bühne gezeigt.

 

 

 

In den 60er Jahren war das Denkmal nicht mehr zeitgemäß. Ein Hinweisschild darauf wurde irgendwann in diesem Zeitraum mehr oder weniger still beseitigt. Mir als Kind war „damals“ nicht klar, dass der Stein am Schlittenberg irgendetwas anderes als ein Stein sei. 

 

Vom Jahr 2023 aus gesehen sind die hier beschriebenen Vorgänge zum Teil befremdlich. Wir „Nachgeborenen“ wissen, was die Zeitgenossen nicht wussten, dass diese Gedanken, Vorstellungen von der Welt, Bilder der Gesellschaft der Mächte in Europa, sehr bald danach, gerade mal 10 Monate später, zum Beginn des Ersten Weltkriegs führten. Dies zeigt uns Heutigen, wie klein der Schritt von einer nationalen Begeisterung hin zu einem Krieg sein kann. 

 

Die Gefallenenlisten der Stadt Dinkelsbühl dokumentieren auf grausame Weise, was das Endergebnis sein kann. 

 

 

Die Frage, die bleibt: Wie gehen wir heute mit dem Denkmal um.

Ich kann mir verschiedene Szenarien vorstellen.

Zum einen sollte ein Schild, eine Tafel über das Denkmal informieren. Nachdem das "alte" Schild aus Rücksicht auf die sich anbahnende Partnerschaft mit Guérande entfert wurde, sehr verständlich, wenn man sich den zeitlichen Kontext vorstellt, wäre es schön, wenn die Tafel in einer Gemeinschaftsarbeit mit Deutschen und Franzosen entsteht.  Vielleicht ein Projekt für Schüler Dinkelsbühler Schulen und Jugendlichen aus Guérande.

Zum anderen könnte man das Gelände etwas "herrichten".  Aus den Skizzen des Bauamtes von damals ist ersichtlich, dass einn größerer Platz das Denkmal umgab, hinter dem Denkmal wohl ein oder auch zwei Bänke standen.  Vielleicht könnte man den Platz des Denkmals wieder in den Zustand von 1913 versetzen. Bei den Bänken wäre auch ein guter Platz dann für eine Tafel mit Erläuterungen....